Mekelle University, Mekelle (Tigray, Ethiopia) 26. – 30.10.2015

  

Konferenzbericht

 

 

Vom 26. bis zum 30.10.2015 luden die Universität Mekelle (MU), das Felsberger Institut (FI) und die Friedrich-Ebert-Stiftung Addis Ababa (FES) gemeinsam zu einer Workshop-Konferenz zum Themenfeld Regional Security – eine meist auf politische Tagesaktualität reduzierte Debatte sollte dort über internationale Vergleiche und interdisziplinäre Perspektiven geöffnet und erweitert werden. Hierzu nahm die Konferenz größere Kontexte von Konflikt und Versöhnung in den Blick und regte interdisziplinäre und transkulturelle Debatten zu regionaler Sicherheit wie Human Security während und nach Konflikten an. Internationale und äthiopische Experten aus Geschichts-, Rechts- und Politikwissenschaften wie aus der Ethnologie präsentierten und diskutierten die verschiedenen Konferenzbeiträge in offener und konstruktiver Weise.

Die Veranstaltung fügte sich einerseits in eine gemeinsame öffentliche Vorlesungsreihe von FES und MU zu ‚Society, Communication and Culture‘ und setzte andererseits die Reihe internationaler und interdisziplinärer Workshop-Konferenzen zum weiteren Themenfeld von Konflikt und Versöhnung des Felsberger Institutes fort, die bislang in Erbil (Kurdistan, Irak 2013), Bogotá (Kolumbien 2014) und Hamburg (2015) stattgefunden hatten.

Nach einer kurzen Eröffnungszeremonie in der die Gäste willkommen geheißen und die einladenden Institutionen vorgestellt wurden, eröffnete Hartmut Quehl, Historiker und Direktor des Felsberger Institutes, am Montag, den 26.10.2015 in der Management Hall der Universität das erste Panel ‘Regional Conflict and Security in International Contexts’. Hierzu stellte er einen breiten Rahmen zur Analyse vergangener und aktueller Konflikten in einer globalisierten und vernetzten Welt vor. Daniel Heilmann ist Völkerrechtler und berät derzeit den Senat des Königreiches Kambodscha in Rechtsfragen. Sein Beitrag beschrieb Versuche, den internationalen Konflikt im Südchinesischen Meer mit Mitteln internationalen Rechts und entsprechender gerichtlicher Verfahren beizulegen. Soren Chamorro vom Martin Luther King-Institute of Political Sciences an der politechnischen Universität Managua in Nicaragua (UPOLI) legte ein ähnliches Augenmerk auf die politischen Verhandlungen und Friedensabkommen von Esquipulas, die nach und nach Krieg und regionalen Konflikt in Zentralamerika überwinden halfen. Leider konnte weder Daniel Heilmann noch Soren Chamorro persönlich anwesend sein, ihre Beiträge wurden in absentia vorgetragen und gleichwohl lebhaft diskutiert.

Die key note lecture übernahm Professor Wolbert Smidt, Department of History and Heritage Management an der MU, am Nachmittag des ersten Tages, dann auf dem sozialwissenschaftlichen Campus Adi Haqi. Mit Rückgriff auf seine reichen ethnographischen Erfahrungen in Nordäthiopien formulierte Smidt Konflikt als ein kulturelles Konzept und grundsätzliches Mittel sozialer Kommunikation.

 

Lokale Expertise prägte auch das zweite Konferenzpanel ‘The Horn of Africa: A History of Conflict?’. Hier diskutierte Haile Muluken (ebenfalls History and Heritage Management an der MU) wie koloniale und postkoloniale Geschichtsverläufe den äthiopisch-somalischen Grenzkonflikt befeuerten, während Günter Schröder (Felsberg Institut) Prozesse der Institutionalisierung und Formalisierung im Militär Äthiopiens und Eritreas analysierte und verglich. Wolbert Smidt stellte mehrere historische Beispiele politischer Gewalt im heutigen Gebiet des äthiopischen Tigray und Eritreas vor, betonte jedoch die Dimension politischer Autonomie der Bauern gegenüber lokalen Führern und Adligen. Professor Ivo Strecker, Universitäten Mainz und Arba Minch, vervollständigte das sich ergebende Bild mit einer Einführung in lokale Versöhnungsversuche im äthiopischen Süden, die er in den frühen 1990ern in seinem ethnographischen Film Bury the Spear dokumentiert hatte.

 

Impressions from our conference on 'Regional Security' at Mekelle University, 26-30 Oct 2015

 Eindrücke der Konferenz "Regional Security - Towards a Broader Perspective", Mekelle/Äthiopien, 26.-30.10.2015

Flucht und Migration (Refugees and Migration) wurden als wesentliche Folge von Konflikt und Ungewissheit herausgestellt. Während Fesseha Berhe (History and Heritage Management, MU) in der Breite in das dritte Konferenzpanel einführte, fokussierte Mulu Getachew (Doktorandin am Dept. of Social Anthropology der Universität Addis Ababa AAU) auf Situation und Perzeption eritreischer Flüchtlinge im Lager Mai Ayni. Daran anschließend diskutierte Magnus Treiber (Felsberger Institut & Universität Bayreuth) die ambivalente Konstruktion von Wissen in der Migration sowohl aus der Perspektive eritreischer Flüchtlinge als auch aus Sicht beauftragter Sozialarbeiter_innen in Aufnahmeländern. Kiya Gezahegne (Social Anthropology AAU) schloss das Panel mit Analyse und Interpretation der äthiopisch-sudanesischen Grenzstadt Metemma und ihrer vielfachen Verstrickung in gegenseitige symbolische Beziehungen.

Der dritte Konferenztag blickte auf ‚Prospects of Peace: Regional Security and Reconciliation, Development and Prosperity’ – mit Beiträgen aus internationalem Recht, Politikwissenschaft und politischer Anthropologie. Daniel Rezene Mekonnen (International Law and Policy Institute, Oslo und Genf), diskutierte die aufeinander bezogenen Konzepte Menschenrechte, human development und human security und ihre mögliche Bedeutung für die Region Horn von Afrika. Internationale Kooperation und regionale Integration – insbesondere auf das regionale Bündnis IGAD bezogen – war das Thema Assefa Leakes (Political Sciences and Strategic Studies, MU). Markus Höhne, Ethnologie Uni Leipzig, betrachtete hingegen Somalilands ‚hybrides‘ Politiksystem kenntnisreich aus kritischer Perspektive. Andargetchew Tilahun (Institute of Peace and Security Studies, AAU) und Meressa Tsehaye (Political Sciences and Strategic Studies, MU) kommentierten schließlich das ungelöste Dilemma eritreisch-äthiopischer Beziehungen.

Nach drei intensiven Tagen wissenschaftlicher Vorträge und Diskussion – und im Anschluss an die Grußadresse des Universitätspräsidenten Dr. Kindeya Gebrehiwot – lud Magnus Treiber zur Abschlussdiskussion ein. Hierzu schlug er vor, Vorträge und Einschätzungen zum Oberthema Regional Security dialektisch um die Pole formaler und informeller Sphären zu gruppieren und Institutionen, Verträge und förmliche Übereinkünfte einerseits, Politik, Interessen und Improvisation andererseits gegenüberzustellen. Verhandlung und Dialog – als Mittler beider Sphären – erwiesen sich auf dem Weg zu regionaler Sicherheit und human security als unverzichtbar.

In der Diskussion wurde dann eine ganze Reihe an Themen angesprochen, die die Fortführung der gemeinsamen Debatte wünschenswert machten. Hatte die Konferenz erfolgreich das akademische Schweigen zu den gegenseitigen Beziehungen Eritreas und Äthiopiens gebrochen – nicht zuletzt durch Integration sowohl äthiopischer als auch eritreischer Stimmen in den akademischen Austausch – so mussten weitere Themen wie ökologische und ökonomische Fragen oder die Rolle Djiboutis in der Region erst einmal vertagt werden.

Zum Abschluss ermöglichten die MU und ihre örtlichen Konferenzorganisatoren am Donnerstag, den 29.10., eine gemeinsame Exkursion zur Ausgrabungsstätte einer axumitischen Tempelanlage und dem zugehörigen archäologischen Museum von Wuqro sowie zur berühmten mittelalterlichen Felsenkirche in der Nähe. Der letzte Tag dieser Konferenzwoche, Freitag der 30.10.2015, blieb akademischen Kooperationsgesprächen und einem studentischen Workshop zu qualitativen Forschungsmethoden vorbehalten.

 

In jedem Fall war die Konferenz den Ansprüchen der nationalen und internationalen Teilnehmer_innen gerecht geworden – und Mekelle bewährte sich als attraktiver Ort für diese und folgende internationale und interdisziplinäre Konferenzen.